Das Votum zur Bundestagswahl ist eindeutig: Die große Mehrheit der Beschäftigten plädiert für einen gesetzlichen Mindestlohn von erst mal 8,50 Euro. Das ergab die Umfrage der IG Metall in den Betrieben, bei der über eine halbe Million Menschen mitmachten.
Jedes Jahr stockt der Staat mit rund 11 Milliarden Euro Vollzeitlöhne auf, damit die Beschäftigten davon leben können. Nach Angaben der Bundesregierung verdient jeder fünfte Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Das bedeutet im Klartext: Auf Kosten der Beschäftigten und der Gemeinschaft subventioniert der Staat Niedriglöhne mit Steuergeldern in Milliardenhöhe und so die Gewinne von Unternehmen, die auf Lohndumping setzen. Damit verschafft die Politik den „Billigheimern“ einen Wettbewerbsvorteil gegenüber tariftreuen Betrieben.
Wachsende Kluft zwischen oben und unten
Und während es in Deutschland immer mehr Niedriglöhner und Minijobber gibt, die nicht wissen, wie sie über die Runden kommen, steigt auf der anderen Seite die Zahl der Vermögenden. Mittlerweile sind es mehr als eine Million Deutsche, die über ein Geldvermögen von über einer Million US-Dollar oder 750 000 Euro verfügen. Davon kann der Rest der Bevölkerung nur träumen.
Der Unterschied zwischen oben und unten wachse, konstatierte kürzlich Bundesarbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. Es sei für ihn nicht hinnehmbar, „wenn Arbeitgeber das Aufstocken zum Geschäftsmodell machen“. Weise sieht den Arbeitsmarkt in Deutschland auseinanderdriften. „Wir haben die Tendenz zu einer zunehmenden Lohnungleichheit“, sagte er. Hier wachse „der Unterschied zwischen oben und unten“.
Deutschland hat inzwischen den größten Niedriglohnsektor in Europa. Der Arbeitsmarkt ist tief gespalten, nachdem er drei Jahrzehnte dereguliert, prekäre Beschäftigung massiv ausgeweitet und Arbeitnehmerrechte abgebaut wurden. Die IG Metall sieht daher einen dringenden politischen Handlungsbedarf und fordert eine solidarische Neuordnung des Arbeitsmarktes. Das sehen auch die Beschäftigten so, die die IG Metall in den Betrieben befragt hat. Sie verurteilen, dass Arbeit zur Ramschware degradiert wird, und wollen, dass das klassische sogenannte „Normalarbeitsverhältnis“ wieder die Regel wird: unbefristet mit auskömmlichem und verlässlichem Einkommen und mit Absicherung durch die Sozialversicherungen.
Mindestlohn ist die gerechte Strafe für Tarifflucht und Dumpinglöhne
Über 90 Prozent der Arbeitnehmer plädierten bei der IG Metall-Befragung für einen gesetzlichen Mindestlohn von anfänglich 8,50 Euro die Stunde. Leiharbeit und Werkverträge sollen gesetzlich neu geregelt werden. Grundsätzlich muss gelten: gleiches Geld für gleiche Arbeit. Denn – so erfahren die Beschäftigten – Werkverträge, Leiharbeit und Minijobs behindern die Chancen auf eine sichere Beschäftigung und damit auch auf ein planbares Leben.
Damit liegen die von der IG Metall insgesamt 514 134 befragten Menschen im Deutschlandtrend: Die große Mehrheit der Deutschen befürwortet ebenfalls einen gesetzlichen Mindestlohn. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat infratest dimap mit einer Umfrage beauftragt. Heraus kam, dass sich 86 Prozent der wahlberechtigten Bürger für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprechen, der zumindest das Existenzminimum sichert.
„Der gesetzliche Mindestlohn ist die gerechte Strafe für Tarifflucht und Dumpinglöhne, mit denen wir konfrontiert sind, auch in der Metall- und Elektroindustrie“, sagt der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Die Arbeitnehmer wollen, dass es in dieser Gesellschaft sozial gerechter zugeht. Das neoliberale Leitbild „Gerecht ist, was Arbeit schafft“ hat endgültig ausgedient.